Merz setzt auf russische Milliarden – Kritik wächst

Merz setzt auf russische Milliarden – Kritik wächst
Systembild: Milliarden aus Russland für die Ukraine? © Presse.Online

Bundeskanzler Merz und die russischen Zentralbankgelder: Milliardenhilfe für die Ukraine umstrittener Kurs

Bundeskanzler Friedrich Merz plant, auch in Deutschland eingefrorene Vermögenswerte der russischen Zentralbank für die Unterstützung der Ukraine zu nutzen. Der Vorstoß, der beim EU-Gipfel in Brüssel diskutiert wird, könnte milliardenschwere Folgen für Politik, Wirtschaft und Europas Verhältnis zu Russland haben.

Milliarden für die Ukraine und ein politischer Kurswechsel

Nach Informationen aus EU-Verhandlungskreisen will Bundeskanzler Merz den Forderungen Belgiens nachkommen und die Nutzung russischer Zentralbankgelder auf mehrere EU-Staaten ausweiten. Ziel ist es, der Ukraine in den kommenden zwei Jahren Darlehen von bis zu 90 Milliarden Euro zu ermöglichen; langfristig könnten es sogar bis zu 210 Milliarden Euro werden.

Der Ansatz folgt den Plänen der EU-Kommission: Russland soll erst dann Zugriff auf sein eingefrorenes Vermögen erhalten, wenn es nach einem Ende des Angriffskriegs Reparationszahlungen leistet. Bis dahin sollen die Gelder als Sicherheiten für Kredite dienen, mit denen der Wiederaufbau der Ukraine finanziert wird.

Warum Deutschland bisher gezögert hat

Innerhalb der EU hatte Deutschland lange eine zurückhaltende Position eingenommen. Berlin argumentierte, dass der Großteil der eingefrorenen russischen Zentralbankgelder rund 185 Milliarden Euro beim belgischen Finanzdienstleister Euroclear liege. In Deutschland selbst sei lediglich ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag verfügbar.

Belgien wiederum drängt seit Monaten auf eine breitere Beteiligung. Ministerpräsident Bart De Wever warnt davor, dass sein Land allein zum Ziel russischer Vergeltungsmaßnahmen werden könnte. Die Sorge: Enteignungen europäischer Unternehmen oder Privatpersonen in Russland.

Wirtschaft warnt vor massiven Risiken

Besonders deutlich äußert sich die deutsch-russische Wirtschaft. Matthias Schepp, Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, warnte bereits im Oktober gegenüber der Deutschen Presse-Agentur:

„Deutschland hat wie kein anderes Land in Russland investiert.“

Mehr als 100 Milliarden Euro deutsches Vermögen könnten laut Schepp in Gefahr geraten. Gerade deshalb, so seine Einschätzung, habe Deutschland bei der Nutzbarmachung russischer Zentralbankgelder „am meisten zu verlieren“.

Diese Perspektive teilen auch Teile der Industrie, die auf rechtliche Unsicherheiten und mögliche internationale Schiedsverfahren verweisen.

Bedingungen aus Belgien und offene Fragen

Belgien hat seine Zustimmung an klare Bedingungen geknüpft:

  • eine Vergemeinschaftung aller Risiken,

  • sofort verfügbare finanzielle Garantien,

  • umfassender Schutz für betroffene Unternehmen und Bürger,

  • sowie die Beteiligung aller EU-Staaten mit eingefrorenen russischen Zentralbankvermögen.

Nach Angaben der EU-Kommission zählen dazu neben Deutschland auch Frankreich, Schweden, Zypern und Luxemburg. Der Großteil der nutzbaren Gelder soll in Frankreich liegen.

Geheimhaltung und politische Abwägung

Wie hoch die in Deutschland eingefrorenen russischen Zentralbankvermögen tatsächlich sind, hält die Bundesregierung weiterhin unter Verschluss. Öffentlich bestätigt wurde zuletzt lediglich, dass im Zuge der Russland-Sanktionen Vermögenswerte von rund 3,5 Milliarden Euro eingefroren oder immobilisiert wurden darunter auch Auslandswerte der russischen Zentralbank.

Für den Fall, dass Gerichte oder internationale Abkommen eine Freigabe der Gelder erzwingen, sieht der Plan EU-Garantien vor. Finanzinstitute sollen Russland dann umgehend auszahlen können. Die EU-Kommission argumentiert, dies sei politisch leichter vermittelbar als neue gemeinsame Schulden.

Analyse: Ein Balanceakt zwischen Solidarität und Risiko

Der Vorstoß von Kanzler Merz markiert einen möglichen Kurswechsel Deutschlands. Politisch steht er für ein klares Signal an Kiew und an Moskau. Gleichzeitig wirft das Vorgehen grundlegende Fragen auf: zur Rechtsstaatlichkeit, zur Investitionssicherheit und zur wirtschaftlichen Verantwortung gegenüber deutschen Unternehmen.

Für Bürgerinnen und Bürger geht es indirekt um Haftungsrisiken und mögliche finanzielle Garantien. Für die EU steht die Glaubwürdigkeit ihrer Sanktionspolitik auf dem Spiel. Dass es „Bewegung“ gebe, wie aus Regierungskreisen heißt, zeigt: Ein Konsens ist greifbar aber keineswegs sicher.

Fazit:

Die Nutzung russischer Zentralbankvermögen für die Ukraine ist politisch gewollt, rechtlich komplex und wirtschaftlich riskant. Ob der Plan beim letzten regulären EU-Gipfel des Jahres eine Mehrheit findet, bleibt offen. Klar ist jedoch: Nicht jeder in Europa und nicht jeder in Deutschland hält diesen Weg für den richtigen.

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FAQ

Was plant Bundeskanzler Merz konkret?
Er unterstützt EU-Pläne, eingefrorene russische Zentralbankgelder als Sicherheiten für Ukraine-Kredite zu nutzen.

Warum ist das Vorhaben umstritten?
Wegen rechtlicher Risiken und möglicher Vergeltungsmaßnahmen Russlands gegen europäische Unternehmen.

Wie viel russisches Vermögen liegt in Deutschland?
Die Bundesregierung macht dazu keine konkreten Angaben.

Welche Länder sind besonders betroffen?
Vor allem Belgien und Frankreich, aber auch Deutschland und weitere EU-Staaten.

Was bedeutet das für die Ukraine?
Zusätzliche Milliardenhilfen für Wiederaufbau und Stabilisierung.

Quellenliste:

  • Deutsche Presse-Agentur (dpa): Berichte vom EU-Gipfel in Brüssel

  • Europäische Kommission: Angaben zu eingefrorenen russischen Zentralbankvermögen und Ukraine-Hilfen

  • Aussagen aus Verhandlungskreisen der EU-Mitgliedstaaten

  • Deutsch-Russische Auslandshandelskammer: Stellungnahmen von Vorstandsvorsitzendem Matthias Schepp

  • Bundesregierung: Öffentliche Angaben zu eingefrorenen Vermögenswerten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg

  • Belgische Regierung: Öffentliche Forderungen und Bedingungen zur Nutzung russischer Zentralbankgelder

  • Europäischer Rat / EU-Gipfel: Hintergrundinformationen zu laufenden Verhandlungen

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