Corona-Kritiker im Visier des Verfassungsschutzes

Corona-Aufarbeitung: Jetzt ein Fall für den Verfassungsschutz?
Aufarbeitung oder Alarmismus?
Berlin. Wer nach einer juristischen oder politischen Aufarbeitung der Corona-Politik ruft, könnte sich bald im Fadenkreuz des Verfassungsschutzes wiederfinden. Der aktuelle Bericht des Bundesinnenministeriums, vorgestellt von Alexander Dobrindt (CSU), sorgt für Aufsehen: Rund 1500 Personen sollen laut Einschätzung dem Milieu der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ zugeordnet werden darunter 250 als gewaltbereit.
Was steckt hinter dieser neuen Kategorie? Und ist Kritik am Staat jetzt per se verdächtig?
Was bedeutet „Delegitimierung des Staates“?
Der Begriff klingt sperrig und politisch brisant. Laut Bericht geht es um Personen, die das Vertrauen in demokratische Institutionen „systematisch untergraben“. Beispielhaft genannt wird etwa die Forderung nach einer Aufarbeitung der Coronapolitik, auch in strafrechtlicher Form. Weitere angeblich „mobilisierungsfähige Themen“: Kritik an Klimaschutzmaßnahmen, am Ukraine-Kurs oder an Digitalisierungsprojekten.
Doch viele dieser Positionen sind in breiten Teilen der Gesellschaft diskutabel und durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt. Kritiker fragen daher: Wird hier legitime Skepsis mit Verfassungsfeindlichkeit gleichgesetzt?
Zwischen berechtigter Kritik und politischer Ausgrenzung
Die Einordnung hat Sprengkraft. Denn laut Bericht sind es keine organisierten Extremisten, sondern häufig Einzelpersonen oder lose Gruppen. Ihnen wird unterstellt, demokratische Repräsentant:innen „ständig zu verächtlich machen“. Dabei wird jedoch kaum differenziert: Ist der Zweifel an politischen Entscheidungen schon staatsfeindlich?
Gerade die Corona-Zeit war geprägt von Ausnahmezuständen – sowohl medizinisch als auch politisch. Lockdowns, Schulschließungen, Impfpflichtdebatten. Wer hier kritisch zurückblickt, wird nun potenziell beobachtet. Ist das noch Demokratie oder schon Gesinnungskontrolle?
Die Grauzone wird zur Gefahr für die Debattenkultur
Brisant: Im Bericht wird eingeräumt, dass viele dieser „Delegitimierer“ keine Systemgegner seien. Ihnen fehlt ein ideologisches Gegensystem, ihr gemeinsamer Nenner sei „fundamentale Ablehnung des bestehenden Staates“. Doch worin liegt der Unterschied zur klassischen Regierungskritik?
Ein Narrativ zieht sich durch den gesamten Text: Kritik ist nur erlaubt, wenn sie „nicht systematisch“ und nicht „verächtlich“ sei. Eine vage Grenze und damit ein Einfallstor für politische Willkür.
Kritik ist kein Staatsfeind, oder doch?
Wer eine Corona-Aufarbeitung fordert, will Antworten keine Aktennotizen im Verfassungsschutz. Die neue Linie der Innenpolitik rüttelt an einem Grundpfeiler der Demokratie: der Freiheit, den Staat zu hinterfragen. Wo das endet? Vielleicht genau dort, wo das Vertrauen in ihn erschüttert wird nicht durch Kritik, sondern durch ihre pauschale Kriminalisierung.
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- Phoenix