Reiff-Insolvenz: Traditionsfirma vor dem Aus

Reiff-Insolvenz: Traditionsfirma vor dem Aus
Die Unternehmenszentrale in Reutlingen: Reiff ist insolvent. © Reiff

Reiff meldet Insolvenz an, Schock nach 115 Jahren Geschichte

Am 28. Juli musste die Reiff Technische Produkte GmbH aus Reutlingen Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden nur wenige Wochen nach dem 115. Firmenjubiläum. Der Mittelständler, der seit 1910 technische Komponenten liefert, steht vor einer ungewissen Zukunft. Wenn bis Oktober keine tragfähige Lösung gefunden wird, droht dem Unternehmen das Aus.

Tradition und Zusammenhalt: Ein Unternehmen wie eine Familie

Für viele Beschäftigte ist Reiff mehr als ein Arbeitgeber. Teamleiter Carmelo Rodriguez Pintor, seit fast 40 Jahren im Betrieb, beschreibt es so: „Für mich ist Reiff ein Stück meiner Familie.“ Besonders die enge Beziehung zur Inhaberfamilie habe ihn geprägt. Der Moment, als Hubert Reiff nach der Insolvenzerklärung vor die Belegschaft trat, sei schwer gewesen: „Ich war tieftraurig, ihn so zu sehen. Dabei hatte ich Tränen in den Augen.“

Ursachen: Flaute im Maschinenbau und hohe Kosten

COO Tim Steinel benennt die Gründe klar: „Unsere Kunden bauen weniger neue Maschinen und brauchen deshalb auch weniger von unseren Artikeln.“
Hinzu kommen:

Konsolidierungsdruck in der Branche

Reiff zählt zu den zehn größten Technikhändlern Deutschlands und erwirtschaftete zuletzt 150 Millionen Euro Umsatz. Doch der Markt wird von Milliardenkonzernen dominiert. Anfang 2025 stieg der österreichische Konzern Haberkorn mit 25 Prozent bei Reiff ein. Eigentlich sollte das die Zukunft sichern. Doch nur Monate später folgte die Insolvenz. „Das war für uns extrem überraschend“, sagt Steinel.

  • Abhängigkeit vom Maschinenbau und indirekt von der Automobilindustrie

  • gestiegene Energiekosten

  • Vorlaufzeiten von bis zu 160 Tagen bei Lieferanten

  • Preisdruck und Zölle im internationalen Handel

Diese Faktoren brachten auch andere Mittelständler in Schieflage: Laut Statistischem Bundesamt stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2025 auf fast 12.000 ein Plus von 9 Prozent.

Zukunftssorgen bei Belegschaft und Partnern

Im Lager ist die Stimmung angespannt. Rodriguez berichtet von halbierten Buchungen im Tagesgeschäft. Viele Kollegen seien seit Jahrzehnten im Betrieb, das Durchschnittsalter ist hoch. „Mit 58 ist es nicht leicht, noch einen neuen Job zu finden besonders hier in Baden-Württemberg, wo die Zahl der Insolvenzen hoch ist“, so Rodriguez.

Gleichzeitig erfährt Reiff Solidarität von Kunden und Lieferanten. Viele zogen Bestellungen vor, um die Firma zu unterstützen. Ob das reicht, wird sich bis Oktober entscheiden dann muss ein neuer Eigentümer oder ein tragfähiger Sanierungsplan stehen.

Wie es für Reiff weitergeht

Steinel rechnet mit einer Verkleinerung auf 100 Millionen Euro Umsatz und damit mit einem Personalabbau. Dennoch sieht er Chancen: „Solange Maschinen gebaut werden, werden auch unsere Teile gebraucht. Unsere Produkte sind nicht plötzlich irrelevant geworden.“

Ob Haberkorn oder ein anderer Investor übernimmt, liegt nun in den Händen von Sachwalter und Gläubigerausschuss. Für die Belegschaft zählt vor allem eins: Hoffnung auf einen Käufer, der das Unternehmen zusammenhält. „Ich hoffe, dass uns niemand auseinanderreißt wie ein Hühnchen“, sagt Rodriguez.

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Quellen

  • Statistisches Bundesamt: Unternehmensinsolvenzen 1. Halbjahr 2025

  • Handelsblatt / Stuttgarter Zeitung (Berichterstattung zu Reiff und Branchenumfeld)

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