Dieselskandal: Verjährung startet ab Kenntnis
Verjährung im Dieselskandal: Frankreichs höchstes Gericht kippt starre Frist, fünf Jahre ab Kenntnis
Der Kassationsgerichtshof in Paris hat entschieden: Im Dieselskandal beginnt die fünfjährige Verjährung für Zivilklagen erst, wenn Käufer von der Motor-Manipulation erfahren etwa mit dem Rückrufschreiben. Das Urteil vom 24./25. September 2025 könnte tausende Verfahren neu beleben. stern.de+1
Was das Urteil konkret bedeutet
Bisher gingen viele Gerichte von fünf Jahren ab Kauf aus. Nun stellt das höchste französische Zivilgericht klar: Entscheidend ist der Zeitpunkt, an dem der Käufer vom Mangel wusste oder wissen musste. Im entschiedenen Fall klagte ein Halter „noch innerhalb der Frist“, weil diese mit Zugang des Rückrufschreibens zu laufen begann. Das stärkt nachträgliche Anfechtungen des Kaufs und eröffnet Schadensersatzpfade – auch Jahre nach der Übergabe des Fahrzeugs. stern.de+1
Kontext: Zehn Jahre Dieselskandal, Milliardenkosten
Der Skandal wurde im September 2015 öffentlich; Volkswagen räumte Manipulationssoftware ein. Betroffen waren u. a. Modelle von VW, Audi, Seat und Škoda weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge. In Frankreich laufen/liefen Verfahren gegen mehrere Hersteller; die Pariser Staatsanwaltschaft leitete u. a. gegen VW Betrugsermittlungen ein und verwies auf Belastungen für fast eine Million Halter. stern.de
Einordnung: Mehr kollektive Klagen denkbar
Frankreich hat 2025 sein Kollektivklagerecht reformiert und Hürden teils gesenkt juristisch günstiger Boden für Sammel- bzw. Gruppenverfahren. Das neue Verjährungsverständnis könnte daher zusätzliche Dynamik entfalten. Fazit: Hersteller müssen mit mehr Verfahren rechnen, Verbraucher mit klarerer Rechtsposition. A&O Shearman
Stimmen & juristische Tragweite
Die Entscheidung sei „sehr wichtig, historisch“, zitiert AFP den Anwalt des erfolgreichen Klägers. Die Cour de cassation betonte zudem, dass der Verkauf eines Fahrzeugs mit „tricksender“ Software die Vertragsgrundlage angreift – bis hin zur Rückabwicklung. Bemerkenswert: Erstmals stützte sich das Gericht dabei auch auf die französische Charta für Umweltrechte. (Übers. d. Red.) Stratégies
Auswirkungen für Betroffene
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Wer ist potenziell begünstigt? Halter, die erst später (z. B. durch Rückruf) von der Manipulation erfuhren.
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Was prüfen? Datum des Rückrufschreibens, Kaufvertrag, bisherige Korrespondenz.
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Grenzen: Das Urteil entfaltet unmittelbare Wirkung in Frankreich; in Deutschland gelten eigene Verjährungsregeln. Zugleich hat der EuGH jüngst die Hürden für Schadensersatz bei mangelhaften Abgasreinigungen gesenkt ein europaweiter Trend zu mehr Verbraucherrechten. ADAC
Fazit
Das Pariser Urteil verschiebt die Verjährungs-Linie zugunsten der Verbraucher: Fünf Jahre ab Kenntnis, nicht ab Kauf. Betroffene sollten Unterlagen sichern, das Kenntnisdatum dokumentieren und eine rechtliche Erstberatung prüfen – insbesondere in Frankreich, wo Gruppenklagen an Fahrt gewinnen.
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Quellen
- AFP-Bericht über die Entscheidung und Verfahren in Frankreich, u. a. stern.de (25.09.2025).
- Stratégies / AFP: Details des Urteils, Zitate der Anwälte, Bezug zur Umwelt-Charta (25.09.2025).
- Shearman & Sterling (Analyse): Reform des französischen Kollektivklagerechts (Gesetz v. 30.04.2025).
- ADAC-Überblick zu EuGH/BGH-Linie im Abgasskandal (Stand 14.08.2025).