Russlands „Phase 0“ im Baltikum
Russlands neue Eskalationsrhetorik sorgt für Unruhe im Baltikum
Das amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW) schlägt Alarm: Russland habe eine sogenannte „Phase 0“ gegenüber den baltischen Staaten eingeleitet eine Vorbereitungsphase, in der der Kreml Stimmungen beeinflusst, Netzwerke aufbaut und Desinformation platziert. Die Analyse erschien nach neuen Aussagen von Außenminister Sergej Lawrow am 11. November. Warum das für Europa brisant ist: Ein Angriff auf Estland, Lettland oder Litauen wäre automatisch ein Angriff auf die NATO.
ISW: Parallelen zur Informationsstrategie vor der Ukraine-Invasion
Die Experten des ISW sehen auffällige Ähnlichkeiten zu 2014 und 2022. In einer am Wochenende veröffentlichten Analyse heißt es, die jüngsten Äußerungen Lawrows spiegelten Narrative wider, die bereits über kremlnahe Telegram-Kanäle verbreitet werden. Dazu zählt die Behauptung, die baltischen Staaten seien „russlandfeindlich“, diskriminierten russischsprachige Bürger und missachteten Abkommen ohne diese zu benennen.
Auch die Formulierung, die baltischen Staaten seien „Marionetten Großbritanniens“, passt aus Sicht der Analysten zu früheren Strategien des Kremls. Beim Angriff auf die Ukraine hatte Russland Kiew fälschlicherweise als „Nazi-Regime“ bezeichnet und internationale Akteure beschuldigt, die Region gegen Russland aufzuwiegeln.
Das ISW schreibt:
„Die Äußerungen Lawrows sind Teil laufender Bemühungen des Kremls, die Informationslage für einen potenziellen Angriff auf einen oder mehrere baltische Staaten zu schaffen.“
Gleichzeitig betont das Institut: Derzeit gebe es keine Hinweise auf einen unmittelbar bevorstehenden Angriff. Phase-0-Operationen können Jahre dauern.
Baltikum im Fokus: Warum Russland die Region rhetorisch auflädt
Die baltischen Staaten sind historisch, politisch und geografisch ein sensibler Punkt in Europas Sicherheitsordnung. Sie gehören zur EU, zur NATO und grenzen direkt an Russland sowie an die Exklave Kaliningrad. Militäranalysten betonen, dass Moskau seit Jahren versucht, Einfluss in der Region zu behaupten.
Die Risikoberatungsfirma GIS (Geopolitical Intelligence Services) warnte bereits im Sommer:
„Jüngste Geheimdienstinformationen deuten darauf hin, dass Russland einen Angriff auf die NATO vorbereitet, obwohl der Krieg in der Ukraine noch andauert.“
Diese Einschätzung sorgte international für Aufsehen, ist jedoch umstritten. Viele westliche Regierungen verweisen darauf, dass es keine militärischen Bewegungen gebe, die auf einen baldigen Angriff schließen lassen.
Wie ernst ist die Lage wirklich?
Sicherheitsexperten ordnen die aktuelle Situation so ein:
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Rhetorische Eskalation: Ja.
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Massive Desinformation: Ja.
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Militärische Vorbereitung auf kurze Sicht: Nein.
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Langfristiges Risiko: Ja, denn Russland nutzt Informationsoperationen oft als Vorstufe für geopolitische Schritte.
Für Europa bedeutet das: Wachsamkeit ist nötig, Panik nicht.
Fazit
Der Kreml verschärft seine Rhetorik gegenüber dem Baltikum und das ISW sieht klare Muster, die an die Vorphase der Ukraine-Invasion erinnern. Ein direkter Angriff gilt derzeit als unwahrscheinlich, doch die Informationslage wird zunehmend aggressiver. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Moskau die hybride Eskalation fortsetzt oder ob es bei Drohkulissen bleibt.
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FAQ
Bereitet Russland einen Angriff auf das Baltikum vor?
Laut ISW gibt es Anzeichen für eine „Phase 0“, aber keine Hinweise auf einen kurzfristigen Angriff.
Was bedeutet „Phase 0“?
Eine Vorbereitungsphase, in der ein Staat Informationsoperationen, Netzwerke und Einflusskampagnen nutzt, um ein mögliches militärisches Szenario vorzubereiten.
Warum sind die baltischen Staaten so sensibel?
Sie sind EU- und NATO-Mitglieder und geografisch eng mit Russland und Kaliningrad verbunden jeder Angriff würde automatisch die NATO betreffen.
Sind Lawrows Aussagen neu?
Die Narrative selbst nicht ungewöhnlich ist laut ISW, dass er sie in einer einzigen Erklärung gebündelt äußerte.
Quellenangaben
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Institut für Kriegsstudien (ISW), Analyse vom 11.–12. November
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Geopolitical Intelligence Services (GIS), Einschätzung vom Juli
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Öffentliche Aussagen von Sergej Lawrow (Interviews russischer Medien)