Legasthenie und Dyskalkulie: Bildungspolitik muss handeln

Anerkennung von Legasthenie und Dyskalkulie: Bundesverband fordert gerechte Bildungschancen
Bad Münstereifel. Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. (BVL) sowie seine Landesverbände (LVL) fordern eine bundesweit einheitliche Anerkennung von behinderungsbedingten Leistungsdefiziten. Kinder mit Legasthenie und Dyskalkulie sollen in der Bildungspolitik und durch die Behindertenbeauftragten stärker berücksichtigt werden, um Chancengleichheit im Schulsystem zu sichern.
Alarmierende Bildungslage für betroffene Schülerinnen und Schüler
Trotz der Anerkennung von Legasthenie und Dyskalkulie als Behinderungen gemäß Sozialgesetzbuch und der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) bleiben schulrechtliche Regelungen in Deutschland unzureichend. Laut BVL und LVL sind etwa 10 bis 15 % der Schüler betroffen, die trotz guter Begabung mit erheblichen Bildungshürden kämpfen. Fehlende Nachteilsausgleiche und ungleiche Regelungen zwischen den Bundesländern verschärfen diese Situation.
Bundesverfassungsgericht: Pflicht zur Inklusion auch bei Abschlussprüfungen
Mit seinem Urteil vom 22. November 2023 stellte das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich klar, dass Legasthenie eine Behinderung ist und der Anspruch auf Inklusion auch für Abschlussprüfungen gilt. Dies muss ebenso für Dyskalkulie angewendet werden, da beide Störungen lebenslang anhaltende neurobiologische Entwicklungsstörungen sind.
Rechtsanwalt Dr. Johannes Mierau aus Würzburg betont: „Die aktuelle Diskriminierung von Schülerinnen und Schülern mit Dyskalkulie verstößt gegen das Gleichheitsgebot. Diese Kinder haben das gleiche Recht auf faire Bildungschancen wie ihre Mitschüler.“
Ungleiche schulrechtliche Regelungen benachteiligen Betroffene
In vielen Bundesländern gibt es zumindest für Legasthenie-betroffene Schüler gewisse Unterstützungsmaßnahmen. Doch für Schüler mit Dyskalkulie fehlen vergleichbare Nachteilsausgleiche fast vollständig. Dadurch hängen die Bildungschancen stark vom Wohnort ab – eine unhaltbare Situation, die dringend reformiert werden muss.
Bildungsexperten fordern eine bundesweite Vereinheitlichung der schulrechtlichen Regelungen, um individuelle Förder- und Nachteilsausgleichsmaßnahmen verbindlich sicherzustellen. Andernfalls drohen betroffene Kinder den schulischen Anschluss zu verlieren, was langfristige Auswirkungen auf ihre persönliche und berufliche Zukunft hat.
Forderungen an die Bildungspolitik: Chancengleichheit sicherstellen
Der BVL begrüßt das Forderungspapier der Behindertenbeauftragten des Bundes und der Länder zur inklusiven schulischen Bildung. Darin werden unabhängige Förderdiagnostik, individuelle Förderplanung sowie notwendige Nachteilsausgleiche gefordert. Zudem wird auf die Ausstattung der Schulen mit qualifiziertem Personal sowie technische und digitale Barrierefreiheit hingewiesen.
Tanja Scherle, Bundesvorsitzende des BVL, betont: „Nur mit umfassenden Maßnahmen können wir sicherstellen, dass Kinder mit Legasthenie und Dyskalkulie ihr volles Potenzial entfalten und seelische Belastungen vermieden werden.“
Einheitliche Regelungen und Notenschutz dringend erforderlich
Der BVL fordert gemeinsam mit seinen LVL eine rasche Anpassung der schulrechtlichen Rahmenbedingungen, um Chancengleichheit für alle betroffenen Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten. Dazu gehören:
- Ein flächendeckender und verbindlicher Nachteilsausgleich
- Notenschutz für betroffene Schüler in allen Schularten und Klassenstufen
- Ein aktives Engagement der Behindertenbeauftragten auf Bundes- und Landesebene zur Absicherung der Rechte dieser Kinder
Es ist jetzt an der Bildungspolitik, aktiv zu handeln und nicht weiter die Zukunft tausender Kinder zu riskieren.
Weitere Informationen zu Legasthenie und Dyskalkulie finden Sie unter: www.bvl-legasthenie.de
- BVL – Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V.