Es geht um Vertrauen

Es geht um Vertrauen
Auf den neuen Bundestag kommen enorme Aufgaben zu © IStock

Verlorenes Vertrauen, neue Verantwortung: Was der Bundestag jetzt leisten muss

Was hält eine Gesellschaft wirklich zusammen? Es ist nicht nur das Gesetz, nicht nur Verträge oder gemeinsame Rituale. Es ist Vertrauen. Vertrauen darauf, dass Politik gerecht ist. Dass sie alle mitdenkt – nicht nur die Lauten, nicht nur die Einflussreichen. Und genau dieses Vertrauen ist in den letzten Jahren gefährlich ins Wanken geraten.

630 Abgeordnete ziehen in den neuen Bundestag ein. Viele von ihnen mit Visionen, mit Ambitionen, mit dem Anspruch, etwas zu bewegen. Doch eine Aufgabe steht über allem: die Wiederherstellung des Vertrauens in unsere Demokratie. Ohne dieses Fundament bleibt jede noch so gut gemeinte Reform ein Kartenhaus im Wind der Enttäuschung. Die größte Herausforderung? Sie liegt nicht außerhalb des Parlaments, sondern mitten darin – in der Art, wie Politik gemacht wird.

Die Ampelkoalition hat gezeigt, wie man sich selbst zerlegt – mit internen Machtspielchen, öffentlichen Streitereien und einem Hang zur Inszenierung statt zur Substanz. Das hat Spuren hinterlassen. Wer möchte noch an politische Lösungen glauben, wenn sich die Regierung ständig selbst blockiert? Wer fühlt sich gesehen, wenn das politische Berlin im Dauer-Clinch ist?

Doch jetzt ist die Chance da, es besser zu machen. Der neue Bundestag kann ein anderes Signal senden. Eines, das sagt: Wir haben verstanden.

Denn was Menschen brauchen, ist keine symbolische Gerechtigkeit – sie brauchen reale Fairness im Alltag. Sie wollen nicht hören, dass man sparen muss, während an anderer Stelle Milliarden verschoben werden. Sie möchten nicht gegeneinander ausgespielt werden: Erwerbstätige gegen Arbeitslose, Stadt gegen Land, jung gegen alt.

Gerade die Debatte um das Bürgergeld hat gezeigt, wie schnell soziale Gräben vertieft werden können. Wenn die Union nahelegt, am Existenzminimum zu kürzen, sendet das eine fatale Botschaft: Wer nichts hat, soll noch weniger bekommen. Aber: Gerechtigkeit misst sich nicht am Mangel, sondern an der Würde. Und diese Würde verlangt, dass niemand in einem reichen Land wie Deutschland Angst haben muss, durch die Maschen zu fallen.

Was wäre also ein erster Schritt zu mehr Gerechtigkeit? Eine deutliche Anhebung des Mindestlohns. Nicht kosmetisch. Spürbar. Denn nur so wird der Unterschied zwischen Lohn und staatlicher Hilfe wieder klar – und fair. Wer arbeitet, soll das auch merken. Nicht nur am Ende des Monats, sondern auch am Gefühl, gebraucht und respektiert zu werden.

Vertrauen wächst nicht über Nacht. Es entsteht durch Haltung, durch Taten, durch glaubwürdige Kommunikation. Es braucht eine Politik, die zuhört, ohne zu urteilen. Die erklärt, ohne zu belehren. Die handelt, ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen.

Und genau hier beginnt die Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten. Nicht mit großen Reden, sondern mit kleinen, ehrlichen Schritten. Indem sie zeigen: Wir machen Politik nicht für uns, sondern für euch. Für die, die morgens um sechs den Bus zur Frühschicht nehmen. Für die Rentnerin, die den Briefkasten meidet, weil sie Angst vor der nächsten Rechnung hat. Für die alleinerziehende Mutter, die abends noch am Küchentisch sitzt, um dem Kind bei den Hausaufgaben zu helfen.

Der neue Bundestag hat die Kraft, Vertrauen zurückzuholen. Aber nur, wenn er sich als das versteht, was er sein sollte: ein Spiegel der Gesellschaft, kein Spielfeld der Eitelkeiten.

Jetzt ist der Moment, aus Fehlern zu lernen. Jetzt ist der Moment, anders zu sein. Jetzt ist der Moment, Demokratie wieder lebendig zu machen.

Was meinen Sie: Sind wir bereit dafür?

Verwendete Quellen
  • Frankfurter Rundschau