Streit um CO2-Preis: Start erst 2030?

EU-Streit um CO2-Preis: Osteuropa warnt vor Energiearmut
Ab 2027 soll ein EU-weiter CO2-Preis fossile Energien wie Gas, Öl und Kohle verteuern. Doch der Widerstand wächst vor allem in Osteuropa. Mehrere Mitgliedsstaaten warnen vor massiven sozialen und wirtschaftlichen Folgen und fordern nun eine Verschiebung auf 2030.
CO2-Preis soll ab 2027 für alle gelten
Die EU will bis 2050 klimaneutral werden. Herzstück dieser Strategie ist der Emissionshandel, kurz ETS 2: Wer CO₂ ausstößt, soll dafür zahlen. Bisher galt das System nur für große Industrieanlagen, ab 1. Januar 2027 sollen auch private Haushalte und Verkehr einbezogen werden.
Das bedeutet: Heizöl, Erdgas oder Benzin werden teurer. Laut Prognosen könnten sich die Preise für CO₂-Zertifikate in den ersten Jahren auf bis zu 99 Euro pro Tonne erhöhen fast doppelt so viel wie der deutsche CO₂-Preis 2026 (55–65 Euro/Tonne).
Widerstand aus Osteuropa „soziale Disruption droht“
Wie t-online berichtet, haben Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Zypern einen gemeinsamen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschickt. Darin fordern sie, den Start des Systems auf frühestens 2030 zu verschieben.
Begründung: Man wolle „unvorhergesehene soziale, wirtschaftliche und politische Disruptionen“ vermeiden. Besonders Haushalte in ländlichen Regionen, ältere Menschen und kleine Unternehmen könnten die steigenden Energiepreise nicht abfedern.
In Polen etwa werden viele Häuser noch mit Kohle beheizt. „Für ärmere Haushalte wären zusätzliche Belastungen unzumutbar“, heißt es in dem Schreiben.
BloombergNEF: Preis könnte auf 99 Euro steigen
Laut einer Analyse von BloombergNEF dürfte der CO₂-Preis zwischen 2027 und 2030 durchschnittlich 99 Euro pro Tonne betragen. Selbst bei Preisbegrenzungen oder Förderprogrammen wäre ein Rückgang nur auf etwa 78 Euro realistisch. Erst massive Investitionen in saubere Technologien könnten den Preis auf 45 Euro senken.
Experten warnen: „Klimaziele sonst unerreichbar“
Klimaforscher und Ökonomen sehen den Aufschub kritisch. Bernd Weber, Geschäftsführer der Denkfabrik Epico Klima-Innovation, warnt:
„Eine Verschiebung auf 2030 würde Investitionen in klimafreundliche Technologien ausbremsen, Preissignale verwässern und die Wirksamkeit des Emissionshandels untergraben.“
Ohne ETS 2 seien die EU-Klimaziele unerreichbar, so Weber. Statt zu verschieben, solle die EU sofort Fördermittel freigeben, damit Mitgliedsstaaten die Energiewende sozialverträglich gestalten können.
EU-Gipfel soll Klarheit bringen
In Brüssel wächst der Druck, eine Lösung zu finden. Am kommenden Donnerstag will die EU über mögliche Reformen beraten darunter auch eine Preisobergrenze oder eine gestaffelte Einführung.
Bundeskanzler Friedrich Merz wird am Gipfel teilnehmen. Erste Signale aus der Kommission werden bereits in dieser Woche erwartet.
Fazit: Balance zwischen Klimazielen und sozialer Realität
Der Konflikt zeigt das Dilemma der europäischen Klimapolitik: ambitionierte Ziele einerseits, soziale Verträglichkeit andererseits. Ob 2027 oder 2030 der Weg zur Klimaneutralität bleibt ein Spagat zwischen Ökologie, Wirtschaft und sozialem Frieden.
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FAQ: CO₂-Preis und Emissionshandel
Was ist der EU-Emissionshandel (ETS 2)?
Ein marktbasiertes System, das CO₂-Ausstoß mit einem Preis belegt. Ziel: Emissionen senken, indem klimaschädliches Verhalten teurer wird.
Ab wann gilt der CO₂-Preis für Verbraucher?
Aktuell ist der Start für 1. Januar 2027 geplant. Einige Länder fordern nun eine Verschiebung auf 2030.
Wie hoch könnte der Preis werden?
Laut BloombergNEF bis zu 99 Euro pro Tonne CO₂ zwischen 2027 und 2030.
Welche Länder lehnen den frühen Start ab?
Vor allem Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Zypern fordern eine spätere Einführung.
Was passiert, wenn der Start verschoben wird?
Experten warnen, dass Investitionen in saubere Technologien gebremst und EU-Klimaziele gefährdet würden.
Quellenangabe
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Europäische Kommission, Brief der Mitgliedsstaaten (Oktober 2025)
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BloombergNEF-Analyse zu CO₂-Preisentwicklung
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Interview mit Bernd Weber, Epico Klima-Innovation (t-online)