Blackout in Frankfurt – 11.000 Haushalte im Dunkeln

Blackout in Frankfurt – 11.000 Haushalte im Dunkeln
Strommasten einer Hochspannungsleitung (Archivbild): Um 17.18 Uhr führte ein defekter Spannungswandler zum Ausfall.

Massiver Stromausfall in der Mainmetropole

In mehreren Stadtteilen war am Dienstag plötzlich der Strom weg – und blieb über Stunden aus. Betroffen waren viele Tausend Frankfurter.

In Frankfurt ist am Dienstagabend der Strom ausgefallen. Betroffen waren die Stadtteile Nied, Höchst, Sossenheim und Unterliederbach, wie der Energieversorger Süwag mitteilte. Der Blackout begann demnach um 17.18 Uhr.

Ursache war ein defekter Spannungswandler in der Umspannanlage Frankfurt-Höchst, hieß es. „In diesem Zug kam es auch zur Rauchentwicklung in der Anlage“, twitterte Süwag.

 

 

„Sitzen mit Taschenlampen im Wohnzimmer“

Die Folge: In der Spitze waren 11.000 Haushalte ohne Strom. Die meisten von ihnen saßen vier Stunden lang im Dunkeln. Einige sogar deutlich länger: Erst gegen 1.10 Uhr seien auch die letzten Haushalte wieder am Netz gewesen, teilte die Süwag am Mittwochmorgen mit.

In sozialen Netzwerken beschrieben Betroffene die Lage: „Wir sitzen nun mit LED-Taschenlampen im Wohnzimmer und warten“, hieß es zum Beispiel in einem Beitrag.

Verletzte habe es nicht gegeben, twitterte Süwag am Mittwoch. Zwischendurch hatte der Energieversorger sogar von mehr als 16.000 betroffenen Haushalten berichtet, diese Zahl dann aber später korrigiert.

Warum gibt es immer mehr Stromausfälle?

Die Zukunft der Energieversorgung ist eine Kernfrage in den Koalitionsverhandlungen. Zeitgleich erhöht sich die Gefahr eines totalen Stromausfalls in Europa durch die Energiewende in Deutschland. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz schätzt es als die wahrscheinlichste Katastrophe ein. Zweimal in diesem Jahr war es schon fast soweit.

Deutschland: Ein flächendeckender Stromausfall hätte schwerwiegende Folgen

Alles hängt vom Strom ab. Fiele er ein paar Tage über mehrere Länder hinweg aus, kämen die Menschen schnell an ihre Grenzen, weil „zum Beispiel die Trinkwasserversorgung zusammenbrechen und die Versorgung auch mit Dieselkraftstoff für die Notstromaggregate problematisch werden würde“, sagt Wolfram Geier, Abteilungspräsident beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Ohne Strom gibt es kein Licht, keine Toiletten, keine Heizung, kein Telefon, keine Züge und Straßenbahnen, keine Supermarktkasse, keine Aufzüge. „Ab drei Tage aufwärts würden wir heute einschätzen, dass das zu katastrophalen Zuständen führen würde.“

Insgesamt haben sich die Störungen im europäischen Stromnetz verzigfacht, ohne bisher allerdings zu spürbaren Stromausfällen zu führen.

Schuld am schwankenden Zustand im Stromnetz ist auch Deutschland. Durch das schrittweise Abschalten der Kraftwerke, wie es auch Beschlusslage in den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen den künftigen Regierungsparteien ist, hat sich das Risiko eines Blackouts deutlich erhöht. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz in Bonn hat deswegen in seiner aktuellen Übersicht die Wahrscheinlichkeit, dass in Deutschland eine durch einen Stromausfall verursachte Katastrophe eintritt, höher als jede andere Gefahr bewertet.
Auch die Schäden bewerten die Bevölkerungsschützer höher als beispielsweise einer neuerlichen Pandemie oder von Regenfluten, wie sie im Hochsommer Westdeutschland heimsuchten. Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag warnt seit Jahren vor einem Blackout: „Die Folgenanalysen haben gezeigt, dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung  mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist. Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für Leib und Leben seiner Bürger kann der Staat nicht mehr gerecht werden.“

Umbau der Energieversorgung bringt Schutzmechanismus ins Wanken

Verantwortlich dafür, dass das nicht passiert, ist ein internationales System, in dem sich 43 Unternehmen aus 36 Ländern zusammengeschlossen haben, um Schwankungen in Verbrauch und Erzeugung auszugleichen. Ein System, das die Stromversorgung normalerweise stabilisiert, in dem sich jedoch inzwischen lokale Störungen hochschaukeln und ausdehnen können, weil in der Energieversorgung kein Stein auf dem anderen geblieben ist.

Vor mehr als zwanzig Jahren, 1998, trat mit dem „Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftrechts“ eine Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft in Kraft. Vorher war der Strommarkt ein großer Markt voller regionaler Monopole gewesen: Ein einzelnes Unternehmen besaß und betrieb die gesamte Kette vom Kraftwerk bis zur Steckdose. Die Monopole wurden geknackt, langfristige Lieferverträge durch kurzfristige wettbewerbsorientierte Kontrakte abgelöst.

Dazu kamen die erneuerbaren Energien. Sie änderten die Spielregeln grundsätzlich: Strom stammt nicht mehr aus wenigen großen Kraftwerken, sondern aus vielen Quellen, bis hinunter zum Windrad auf dem Feld und der Solaranlage auf dem Dach. Kraftwerke entstehen nicht mehr da, wo viele Menschen Strom brauchen, sondern da, wo die Sonne öfter scheint oder der Wind regelmäßig bläst. Windstrom aus dem Norden soll Nuklearstrom aus dem Süden ersetzen.

Kohle wird erneut zum wichtigsten Energieträger

Viel mehr Energie muss immer weiter transportiert werden, aber der Bau der dafür notwendigen Leitungen verzögert sich – wegen Protesten vor Ort. So sollte eine dieser Leitungen, das Ultranet in Baden-Württemberg, 2019 in Betrieb gehen. Jetzt ist von 2024 die Rede. Außerdem: Die Stromerzeugung schwankt. Manchmal herrscht Dunkelflaute, dann kommt nichts aus erneuerbaren Energien. 2021 war das bisher oft so. Und ausgerechnet Kohle wurde hierzulande wieder der wichtigste Energieträger.

Skeptiker fürchten längst, dass das europäische Stromnetz mit dem weiteren Ausbau des Ökostroms an Stabilität verlieren könnte, weil sich das schwankende Angebot immer stärker auf das Stromnetz auswirkt. Gerhard Scharphüser, Vizepräsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, sagt in einem Rundfunkinterview: „Wir sind nicht mehr in der Struktur, dass wir einige wenige große Energieerzeuger haben, sondern ein Großteil der Bevölkerung ist Energieerzeuger mit Solaranlagen auf dem Dach und den Rückspeisungen an anderer Stelle. Und ein Energienetz muss sehr stabil gesteuert werden, da kann nicht jeder einfach reinstreuen und neuen Strom hinzufügen, das wird zu Instabilitäten führen. Das heißt, wir brauchen ein sehr feingranulares Steuerungssystem.“ Er fügt hinzu: Durch die zunehmende Digitalisierung und die Energiewende biete das Energienetz eine größere Angriffsfläche.

Hacker demonstrieren in Ukraine mit Cyberattacke ihre Macht

Was durch solche Aktionen passieren kann, belegen Cyber-Angriffe von 2015 und 2016 auf die Ukraine. Hacker hatten sich über gefälschte E- Mails mit dem Absender des ukrainischen Parlaments in die Netzwerke dreier Energieversorger geschlichen und die Steuerungselektronik gekapert. Hilflos musste das Personal in den Leitwarten zusehen, wie die Eindringlinge die Stromversorgung für weite Teile Kiews abstellten.

Die Energiewende, die nur mit langen Transportwege und einer gut abgestimmten IT funktioniert, macht Europa also anfälliger für Blackouts. Dazu kommt aktuell die Sorge vor Lieferengpässen im Strom- und Gasbereich. In Großbritannien haben bereits massiv angestiegene Gaspreise eine Reihe von Energieanbietern zum Aufgeben gezwungen, weil sie die um 70 Prozent in die Höhe geschnellten Einkaufspreise durch eine gesetzliche Gaspreisdeckelung nicht weitergeben können. Der britische Wirtschaftsminister bereitet die Verbraucher auf Engpässe im Winter vor.

„Spitzenglättung“: Wenn das Aufladen von E-Autos nicht funktioniert

In Deutschland sehen Versorger und Politik das Thema ebenfalls kommen. Bereits in diesem Januar hatte das Wirtschaftsministerium unter Minister Peter Altmaier (CDU) unter dem Eindruck des Beinahe-Blackouts einen Gesetzesentwurf zur „Spitzenglättung“ vorbereitet. Hinter dem merkwürdigen Wortkonstrukt steckte, was auch die Briten jetzt vorhaben: Wenn es eng wird beim Strom, sollen große Verbraucher wie E-Autos und Wärmepumpen zeitweise keinen Strom erhalten. Wer sein E-Mobil an der heimischen Ladestation „auftanken“ will, schaut dann zu den Hochlastzeiten in die Röhre. In Großbritannien wird dieser Plan jetzt aller Voraussicht ab nächstem Frühjahr Wirklichkeit. In Deutschland scheiterte Altmeiers Ministerium unter anderem am Widerstand der Autohersteller, die um den Verkauf ihrer funkelnagelneuen E-Mobile fürchten.

Sie konnten auf eines verweisen: Trotz aller Schwarzmalerei, erhöhten Risiken und Warnstufen – bisher ist alles weitgehend gutgegangen. Stromausfälle in Deutschland haben nach Angaben der Bundesnetzagentur abgenommen. 2020 bekam jeder Haushalt und jedes Unternehmen im Schnitt rund 10,73 Minuten lang keinen Strom. Bundesweit war die Dauer der sogenannten Versorgungsunterbrechungen damit um 1,47 Minuten kürzer als im Vorjahr. Das sei der niedrigste Wert seit der ersten Veröffentlichung der Zahlen im Jahr 2006. Damals summierten sich die Stromunterbrechungen im Schnitt auf etwa 21,53 Minuten.

Der Präsident der Netzagentur, Jochen Homann, lobt deswegen „die Zuverlässigkeit der Stromversorgung. Die Energiewende und der steigende Anteil dezentraler Erzeugungsleistung haben weiterhin keine negativen Auswirkungen auf die Versorgungsqualität.“

 

dpa/Twitter-Account von Süwag/psm.media/presse.online, Foto: Systembild für Blackout in Frankfurt © IStock