Lars Klingbeil stürzt beim SPD-Parteitag ab

Lars Klingbeil stürzt beim SPD-Parteitag ab
SPD-Parteitag 2025, Berlin © Presse Online GmbH

Die SPD im Ausnahmezustand: Ein Parteitag zwischen Krise und Kampfansage

Es ist ein Auftritt, der alles retten soll und doch alles offenlegt: Lars Klingbeil steht vor den Delegierten der SPD wie ein Mann, der um seine politische Existenz ringt. Der SPD-Parteitag 2025 in Berlin wird zu mehr als einer reinen Pflichtübung er ist ein emotionales Fieberthermometer für eine Partei in der Dauerkrise.

„Ich weiß, ich habe Fehler gemacht“, ruft Klingbeil in den Saal, während rund 600 Delegierte aufmerksam lauschen. Es ist der Moment, in dem aus einer Rede eine Beichte wird und aus einem Vorsitzenden ein Angeklagter.

Vertrauenskrise in der SPD: Klingbeils bittere Wahrheit

Selten hat ein SPD-Chef seine Partei derart offen zur Disposition gestellt: „Braucht es die Sozialdemokratie noch?“ Eine rhetorische Frage mit Sprengkraft und doch auch Strategie. Klingbeil gibt sich reflektiert, demütig, kämpferisch. Er nennt die Wirtschaftskrise, das schlechte Wahlergebnis im Februar, das politische Vakuum, das die SPD hinterlassen habe.

Doch all das reicht nicht, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Denn so kämpferisch der Ton, so zahm bleibt der Inhalt. Neue Impulse? Fehlanzeige. Stattdessen Altbekanntes: Soziale Umverteilung, eine moderne Einwanderungsgesellschaft Formeln, die auf Parteitagen gut klingen, aber selten Realität werden.

„Nicht linksradikal“: Zwischen Anspruch und Regierungsalltag

Klingbeils Worte wirken wie ein Drahtseilakt. Einerseits ruft er nach sozialer Gerechtigkeit, andererseits muss er mit der Union regieren. Steuererhöhungen? Kein Thema im Koalitionsvertrag. Familiennachzug? Gerade erst ausgesetzt. Eine Einwanderungsgesellschaft predigen und gleichzeitig Zuzug begrenzen? Das passt nicht zusammen.

„Es gibt eine große Kluft zwischen Parteitagsrhetorik und Regierungsrealität“, sagt ein Delegierter hinterher. Klingbeil weiß das. Und bleibt deshalb bei vielen Punkten vage. Zu vage.

Klartext zur Ukraine und eine Ohrfeige für die Linken

Wenigstens bei einem Thema wird der Parteichef deutlich: Russlands Angriffskrieg. „Mit mir wird es keinen anderen Kurs geben“, stellt Klingbeil klar und erteilt dem umstrittenen Friedensmanifest seiner Genossen eine schallende Absage. Putin sei „nicht Gorbatschow“. Eine klare Linie, endlich.

Doch warum hat er zwei Wochen geschwiegen, das Manifest zunächst als „Debattenbeitrag“ bezeichnet? Auch hier bleibt ein fader Beigeschmack.

Brutale Abrechnung: 64,9 Prozent für Klingbeil

Am Abend folgt die Quittung. Nur 64,9 Prozent der Delegierten sprechen sich für Klingbeils Wiederwahl aus ein historisch schlechtes Ergebnis ohne Gegenkandidat. Zum Vergleich: Co-Vorsitzende Bärbel Bas erreicht 95 Prozent.

Klingbeil nennt es ein „schweres Ergebnis“. Und dennoch will er Kurs halten. Doch ob die Partei ihm noch folgen will, ist fraglich.

Klingbeils schwierigste Stunde und die SPD ohne Richtung

Was bleibt, ist das Bild eines Parteichefs, der sich selbst zum Reformer stilisiert und doch keinen Kurswechsel wagt. Der Reden hält wie ein Kanzler, aber Zustimmung bekommt wie ein Verwalter. Die SPD steht vor einer Zäsur. Ihre Zukunft entscheidet sich nicht auf Parteitagen, sondern in der Realität des Regierens.

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Verwendete Quellen
  • SPD-Parteitag