Kein Sprit mehr für alte Autos in Indiens Hauptstadt

Radikalmaßnahme mit offenem Ausgang: Delhi kämpft um saubere Luft – wer nicht mitmacht, verliert sein Auto
Delhi – pulsierende Metropole, kultureller Schmelztiegel, wirtschaftliches Kraftzentrum. Und leider auch: die schmutzigste Hauptstadt der Welt. Jedes Jahr legen sich dichte Smogschwaden über die Stadt, vernebeln Straßen und Lungen. 2023 sicherte sich Delhi den traurigen Spitzenplatz als Hauptstadt mit der schlechtesten Luftqualität weltweit. Die Schuld? Millionen alter Fahrzeuge, die ungebremst Schadstoffe in die Atmosphäre schleudern. Doch damit soll jetzt Schluss sein – mit drastischen Mitteln.
Tank-Stopp für alte Stinker
Seit Jahren versucht die Regierung, der Abgaslawine Herr zu werden. Bereits 2014 wurden 15 Jahre alte Autos von öffentlichen Parkplätzen verbannt. 2018 folgte ein generelles Fahrverbot für ältere Fahrzeuge: Benziner über 15 Jahren und Dieselautos, die älter als zehn Jahre sind, durften offiziell nicht mehr auf die Straße. Doch Theorie und Praxis klafften weit auseinander – aus schierer Notwendigkeit ignorierten viele die Regeln. Für ein neues Auto fehlte schlicht das Geld.
Nun macht Delhi ernst. Ab dem 1. April 2025 fließt kein Tropfen Benzin oder Diesel mehr in alte Tanks. Was zunächst wie eine drastische Drohung klingt, ist eine durchdachte Strategie: Ohne Treibstoff wird das Fahren unmöglich. Doch wie soll das kontrolliert werden?
KI-Kameras gegen Regelbrecher
Die Antwort liegt in moderner Technologie: An jeder Tankstelle werden hochauflösende Kameras installiert, die per Künstlicher Intelligenz die Nummernschilder scannen. Wer mit einem verbotenen Auto Sprit kaufen will, steht vor einer unüberwindbaren Hürde: die Zapfpistole bleibt trocken. Wer es dennoch versucht, riskiert empfindliche Strafen. 100 Euro Bußgeld und im schlimmsten Fall die Beschlagnahmung des Fahrzeugs – drastische Maßnahmen in einem Land, in dem viele Menschen von ihrem Auto abhängen.
Verschrotten oder verkaufen – das Dilemma der Autofahrer
Für Besitzer älterer Fahrzeuge gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie verschrotten ihr Auto oder verkaufen es außerhalb Delhis. Doch um den Umstieg zu erleichtern, setzt die Regierung auf Anreize: Kaufprämien von fünf Prozent für Neuwagen und rund 1.600 Euro Zuschuss für Elektrofahrzeuge sollen die Entscheidung versüßen. Dazu kommt ein kostenloses Ladenetz für Stromer. Ein Paradigmenwechsel, der Delhi von der Abgas-Hölle zur grünen Metropole transformieren soll – zumindest in der Theorie.
Kritik: Verlagerung statt Lösung?
Doch nicht alle sind überzeugt. Laut dem „Indian Express“ betrifft das Verbot lediglich 100.000 Fahrzeuge – ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man bedenkt, dass Delhi Millionen Autos zählt. Kritiker befürchten, dass das Problem lediglich verlagert statt gelöst wird: Alte Fahrzeuge verschwinden nicht, sondern tauchen andernorts wieder auf. Und auch die Kernfrage bleibt unbeantwortet: Wird die Luft tatsächlich sauberer?
Eine Stadt, die an ihren eigenen Abgasen erstickt, braucht mehr als radikale Einzelmaßnahmen. Doch Delhi wagt einen mutigen Schritt – mit ungewissem Ausgang. Ist dies der Anfang vom Ende der Smogplage oder nur ein weiteres Kapitel im ewigen Kampf gegen die Luftverschmutzung? Die kommenden Jahre werden es zeigen.
- indianexpress.com