Attentäter von Magdeburg: Faeser unter Erklärungsdruck

Der Fall Taleb al-Abdulmohsen: Innenministerin Nancy Faeser unter Druck
Berlin. Knapp vier Wochen nach der schockierenden Todesfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt wird immer deutlicher, wie intensiv Deutschlands Sicherheitsbehörden über Jahre mit dem späteren Attentäter Taleb al-Abdulmohsen befasst waren. Ein Bericht des Bundesinnenministeriums, der auf 16 Seiten akribisch 110 Vorfälle dokumentiert, wirft drängende Fragen über die Effizienz und Koordination der deutschen Sicherheitsbehörden auf. Jetzt muss sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) im Innenausschuss des Bundestages erklären.
Behörden wussten mehr als bisher bekannt
Eine Chronologie, die als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft ist, zeigt: Die Zahl der mit Taleb al-Abdulmohsen verbundenen Behördenvorgänge liegt bei 110 und ist damit erheblich höher als bisher bekannt. Noch Ende Dezember war im Innenausschuss von 80 Fällen die Rede. Laut Informationen des Bundeskriminalamts (BKA) stammen diese Daten aus Beiträgen von Bundes- und Landesbehörden. Der Bericht, über den zuerst der „Spiegel“ berichtete, offenbart, dass Sicherheitsdienste seit Jahren ein Bild von al-Abdulmohsen hatten, das die Dimension seiner Bedrohung jedoch offenbar nicht ausreichend erfasste.
Erklärungsbedarf im Innenausschuss
Am Donnerstag stand Innenministerin Faeser erneut den Abgeordneten des Innenausschusses Rede und Antwort. Neben ihr waren auch hochrangige Vertreter der Sicherheitsbehörden, darunter BND-Chef Bruno Kahl, der Vizepräsident des Verfassungsschutzes Sinan Selen und BKA-Präsident Holger Münch, geladen. In der Sitzung, die hinter verschlossenen Türen stattfand, sollten offene Fragen geklärt werden:
- Warum wurde al-Abdulmohsen trotz der Vielzahl an Vorfällen nicht früher gestoppt?
- Welche Fehler in der Kommunikation und Koordination zwischen den Behörden trugen zu der Tragödie bei?
- Wie plant die Bundesregierung, solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern?
Statements der Ministerin und der Abgeordneten wurden für den Nachmittag erwartet. Faeser hatte nach der Dezember-Sitzung des Ausschusses versichert: „Alle Hintergründe müssen gründlich ermittelt werden. Hier wird jeder Stein umgedreht.“
Magdeburg in Trauer – Bundespräsident Steinmeier besucht den Tatort
Während die politische Aufarbeitung läuft, steht auch die Stadt Magdeburg weiter unter dem Eindruck des Anschlags. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird am Nachmittag den Tatort besuchen, um einen Kranz niederzulegen und mit Hilfs- sowie Einsatzkräften ins Gespräch zu kommen. Der symbolische Akt soll Solidarität mit den Opfern und deren Familien zeigen und gleichzeitig die Bedeutung des gesellschaftlichen Zusammenhalts unterstreichen.
Kritik an der Sicherheitsarchitektur
Die Enthüllungen über die Vielzahl an Vorfällen werfen ein Schlaglicht auf mögliche Defizite in der deutschen Sicherheitsarchitektur. Experten kritisieren vor allem:
- Mangelhafte Abstimmung: Oft scheitert die Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesbehörden an behördlichen Hürden.
- Fehlende Konsequenzen: Trotz zahlreicher Hinweise wurde offenbar nicht konsequent genug gehandelt.
- Ressourcenmangel: Viele Sicherheitsbehörden klagen über Personalmangel und eine Überlastung durch die Vielzahl an Fällen.
Fazit und Ausblick
Der Fall Taleb al-Abdulmohsen wird die Bundesregierung und die Sicherheitsbehörden noch lange beschäftigen. Die Forderungen nach einer grundlegenden Reform der Sicherheitsstrukturen werden immer lauter. Innenministerin Faeser steht vor der schwierigen Aufgabe, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheitsbehörden wiederherzustellen und gleichzeitig konkrete Maßnahmen zu präsentieren, die künftige Tragödien verhindern.
- Spiegel.de