Milliardenunternehmen 23andme steht vor dem Aus

Milliardenunternehmen 23andme steht vor dem Aus
23andme stellt DNA-Tests für Privatpersonen her © IStock

Vom Milliardenstar zum Sanierungsfall – Das bittere Ende von 23andMe

Noch vor wenigen Jahren galt 23andMe als der Goldstandard der Genetik für zu Hause. Die Geschäftsidee? Einfach, smart, hochprofitabel – zumindest schien es so. Ein bisschen Speichel, ein DNA-Test per Post, und schon bekam man Antworten auf Fragen, die tief ins eigene Ich blicken ließen: Woher komme ich? Welche Krankheiten könnten mich erwarten? Wer wäre da nicht neugierig geworden?

Doch heute, kaum fünf Jahre nach dem gefeierten Börsengang, liegt der einstige Marktliebling am Boden. 23andMe hat Insolvenz angemeldet. Die Firma, die einst mit 3,5 Milliarden Dollar bewertet wurde, bringt es nun gerade noch auf magere 50 Millionen – ein Absturz, der härter kaum sein könnte.

Was ist passiert?

Daten statt Gold: Wenn Vertrauen zerbricht

Der Anfang vom Ende war kein plötzlicher Knall, sondern eher ein schleichendes Erodieren des Vertrauens. Das Geschäftsmodell von 23andMe basierte auf einem besonders sensiblen Gut: unseren genetischen Informationen. Wer seine DNA preisgibt, erwartet Sicherheit, Verantwortung – und vor allem Transparenz. Doch genau daran mangelte es offenbar.

Im Herbst 2023 wurde ein schweres Datenleck bekannt. Hacker hatten Zugriff auf Millionen Kundendaten – insbesondere solche von Menschen chinesischer oder aschkenasisch-jüdischer Herkunft. Doch anstatt offen damit umzugehen, informierte 23andMe betroffene Kunden erst verspätet. Das Vertrauen der Nutzer? Zerschlagen. Die Reaktion der Börse? Gnadenlos.

30 Millionen Dollar kostete das Unternehmen eine außergerichtliche Einigung – und ein erheblicher Reputationsschaden war inklusive. Wer einmal das Gefühl hat, dass seine intimsten Daten in den falschen Händen gelandet sind, denkt zweimal nach, bevor er erneut einen Speicheltest bestellt.

Der letzte Versuch: Ein Comeback unter eigener Regie?

Anne Wojcicki, Mitgründerin und lange Zeit das Gesicht der Firma, trat bereits im Vorjahr als CEO zurück – doch ganz loslassen kann (oder will) sie offenbar nicht. Mehrmals versuchte sie, 23andMe zurückzukaufen. Doch der Vorstand lehnte jedes ihrer Angebote ab – selbst als sie zuletzt rund ein Fünftel des aktuellen Marktwerts bot.

Jetzt, mit dem Insolvenzverfahren, steht ein Verkauf bevor. Wojcicki kündigte bereits an, erneut mitbieten zu wollen. Die Ironie? Sie könnte am Ende die Firma, die sie selbst mitgegründet hat, zu einem Bruchteil des einstigen Werts übernehmen.

Von der Erfindung des Jahres zur Entlassungswelle

2008 war 23andMe noch der gefeierte Innovationsheld. Das Time Magazine kürte die DNA-Tests zur „Erfindung des Jahres“. Die Vision: Menschen befähigen, ihre genetische Zukunft zu verstehen – mit einem Klick, einfach und erschwinglich. Damals war das revolutionär.

Heute ist davon wenig übrig. Im November 2024 entließ das Unternehmen 200 Mitarbeitende – fast die Hälfte der Belegschaft. Auch Teile des Produkts wurden eingestellt. Der Rotstift regierte, doch er kam zu spät.

Was bleibt – und was wir daraus lernen können

Die Geschichte von 23andMe ist nicht nur die eines Unternehmens, das gescheitert ist. Sie erzählt auch von unserer Sehnsucht nach Wissen über uns selbst, von der Hoffnung auf Kontrolle über das Unkontrollierbare – und von der Gefahr, wenn wirtschaftliche Interessen das Vertrauen in Technik und Innovation untergraben.

Sie zeigt, wie schnell ein gefeiertes Startup zum Mahnmal werden kann. Wenn Daten das neue Öl sind, dann muss ihre Sicherheit oberste Priorität haben. Alles andere ist ein Spiel mit dem Feuer – und das hat 23andMe sich am Ende wohl selbst gelegt.

Und jetzt? Vielleicht gelingt der Neuanfang unter neuer – oder alter – Führung. Vielleicht aber wird 23andMe nur noch eine Fußnote in der Geschichte des Tech-Booms sein.

Was meinen Sie – wäre Ihnen Ihre DNA noch ein Test wert?

Verwendete Quellen
  • 23andme.com