Südafrika- Rassismus unter Afrikanern?
Südafrika- Kap der Angst
In der Printausgabe der Schweizer Wochenzeitung Weltwoche ist am Donnerstag, den 26. September 2019 ein bemerkenswerter Artikel über die Rassenspannungen in Südafrika und Ausschreitungen zwischen lokalen Südafrikanern und eingewanderten Afrikanern erschienen. Wolfgang Drechsler lebt seit 1985 in Südafrika. Hier einige wenige Auszüge aus seinem Artikel „Schwarz gegen Schwarz“:
„Die vom Westen gepriesene Rassenharmonie in Südafrika entpuppt sich als trügerischer Versöhnungskitsch aus der Mandela-Ära. Brutal wenden sich Arme am Kap nun gegen Zuwanderer aus dem übrigen Kontinent. Befeuert von einer entgleisten Politik wächst der Hass auf die Brüder und Schwestern aus Afrika …
Die Gewaltausbrüche sind auf den ersten Blick schwer zu verstehen, weil Nelson Mandela, der grosse Versöhner des Landes, zeitlebens Farbenblindheit und ein friedliches Miteinander postuliert hatte, um den am Kap lange auch gesetzlich verankerten Rassismus zu überwinden. Spätestens mit den Pogromen im Mai 2008 wurde jedoch deutlich, dass die jahrelang vom Westen gepriesene Rassenharmonie am Kap wenig mehr als trügerischer Versöhnungskitsch war – und sehr stark mit der Ausnahmegestalt Mandela zu tun hatte …
Rassismus unter Afrikanern? Das ist für viele Europäer schwer vorstellbar. Schwarze werden dort bis heute gewohnheitsbedingt ausschließlich als Opfer und Statisten gesehen …
Moral braucht keine Argumente
Vielen Afrikanern geht es heute schlechter als vor der Unabhängigkeit – und daran sind nicht etwa die Nachfahren der Kolonialherren schuld, sondern Regierungen, die große Teile der eigenen (schwarzen) Bevölkerung durch Korruption oder Misswirtschaft in noch grössere Armut gestürzt haben. Um von den eigenen Verfehlungen abzulenken, werden nun die erfolgreichen Minderheiten, egal ob schwarz oder weiss, in die Schusslinie gerückt. Denn nirgends ist die Kluft zwischen Arm und Reich so gross wie in Afrika. Und nirgendwo sonst auf der Welt lässt sich der Wohlstand so leicht an der anderen Hautfarbe beziehungsweise der Physiognomie des Anderen ablesen.“
Ich empfehle die Lektüre des Artikels (die Wochenzeitung ist üblicherweise in Deutschland am Freitag oder Samstag in den Bahnhofsbuchhandlungen erhältlich), weil deutsche Medien in einer anderen Wirklichkeit als ihre Leser und Hörer leben. Deshalb könnte dieser Text vermutlich – wie leider immer öfter – nicht in deutschen Zeitungen erscheinen. Die Schweizer Medien werden zum „Westfernsehen“. Die politische Auseinandersetzung wird durch die Einforderung von moralischen Bewertungen und Gefühlen wie Schuldbewusstsein ersetzt oder verhindert. Die Moralisierung der Afrikapolitik hat große Vorteile, sie erspart die Auseinandersetzung. Wer sich auf der Seite des Guten wähnt, muss nicht mehr argumentieren. Es genügt, sich über diejenigen zu entrüsten, die sich dem Guten widersetzen. Aber spätestens beim Einsatz massiver Gewalt gegen Fremde wird eine Grenze überschritten, die dann nicht mehr mit der gewöhnlichen menschlichen Skepsis gegenüber allem Fremden erklärbar ist. Es triumphiert in Deutschland der politische Geist der Naivität, der Vertrauensseligkeit sowie der Apathie und des Desinteresses an den realen politischen Verhältnissen in den meisten afrikanischen Staaten.
Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Buches „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Die insgesamt 9. und 10. Auflage folgte 2019. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.
Quelle: Volker Seitz, 27.09.2019, Foto: Südafrika- Rassismus unter Afrikanern, Quelle: VASUKI BELAVADI