Spahn begrenzt Auslieferung von Biontech-Impfstoff

In den Arztpraxen könnte bald Biontech knapp werden
Gesundheitsminister Spahn stellt einen großen Teil der Lieferungen zurück.
Berlin. Das Bundesgesundheitsministerium begrenzt in den kommenden Wochen die Auslieferung des Biontech-Impfstoffs. Niedergelassene Ärzte sollen ab kommender Woche nur noch 30 Dosen Biontech-Impfstoff bekommen, Impfzentren 1.020 Dosen.
Das Bundesgesundheitsministerium betonte am Freitag, dass bis Jahresende genug Impfstoff für Auffrischungsimpfungen zur Verfügung stehe. Nachdem das Präparat von Biontech bisher mehr als 90 Prozent der Bestellungen ausmache, solle aber vermehrt Moderna eingesetzt werden. Dies solle sichern, dass kurzfristig ausreichend Impfstoff verfügbar ist. Zudem verfielen eingelagerte Moderna-Dosen ab Mitte des ersten Quartals 2022, was aber vermieden werden müsse.
Für Biontech sollten daher „Höchstbestellmengen“ definiert werden, wie es in einem Schreiben des Ministeriums an die Länder heißt. Zuerst berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag) darüber.
KBV: Wer mit Biontech geimpft wurde, erhält nun meist Moderna
In den Praxen sei wegen der Begrenzung bei Biontech-Bestellungen ab 23. November nun aber mit deutlich erhöhtem Beratungsbedarf zu rechnen, erklärte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). „Das hat zur Folge, dass die meisten Patientinnen und Patienten, die mit Biontech im Rahmen ihrer Grundimmunisierung geimpft wurden, nun – sofern sie über 30 Jahre alt sind – eine Auffrischimpfung mit Moderna erhalten werden“, sagte KBV-Vize Stephan Hofmeister.
Beide Impfstoffe seien nach vorliegenden Studiendaten und laut der Ständigen Impfkommission (Stiko) gleichwertig. „Trotzdem wird es hohen Erklärungsbedarf geben, der wertvolle Zeit bindet, die für das Impfen dann fehlt“, sagte Hofmeister. Dies sei wenig hilfreich, wenn vor allem schnell und viel geimpft werden solle. Generell gewinnen die Impfungen laut KBV an Tempo. Für die nächste Woche seien fast fünf Millionen Dosen bestellt worden. Das sei die bisher größte Menge, die seit Start der Impfkampagne in die Praxen geliefert werde.
Rheinland-Pfalz: „Ohne Rücksprache mit den Ländern“
Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) kritisiert die Ankündigung des Bundes scharf. „Heute erreicht uns vom Bundesgesundheitsminister ohne Rücksprache mit den Ländern die Ansage, dass der Biontech-Impfstoff ab Dezember rationiert und vorrangig ein anderer Impfstoff geliefert werde, damit der Bund seine Lager räumen könne“, sagte Hoch am Freitag. Dies gehe völlig an der Realität vorbei und sei unverantwortlich.
Die meisten Menschen in Rheinland-Pfalz würden mit Biontech geimpft und wollten daher auch die Auffrischung mit diesem Impfstoff haben. „Sollte nicht genug Biontech durch den Bund geliefert werden, drohen viele Terminstornierungen und ein massiver Zeitverzug bei der anstehenden Impfkampagne.“
Erst drei Millionen Auffrischungsimpfungen
Erst am Donnerstag hatten Bund und Länder bei einer Ministerpräsidentenkonferenz bekundet, die Impfkampagne weiter anfachen zu wollen. Gerade die Booster-Impfungen liefen in den vergangenen Wochen schleppend. Am Dienstag wurden laut RKI 312.000 Spritzen gesetzt – so viele an einem Tag wie seit August nicht mehr, wie Spahn bei Twitter erläuterte. „Die Richtung stimmt, reicht aber noch nicht, um die Dynamik zu brechen.“
Insgesamt sind nun mindestens 55,9 Millionen Menschen oder 67,3 Prozent aller Einwohner vollständig geimpft. Eine Impf-Verstärkung mindestens sechs Monate danach haben inzwischen gut drei Millionen Bundesbürger bekommen.
Praxen sollen wieder wöchentlich bestellen können
Um die Impfungen stärker anzukurbeln, sollen auch praktische Lösungen her. Ab 16. November könnten Praxen wieder wöchentlich Impfstoff bestellen, nachdem man im Sommer einvernehmlich auf einen Zwei-Wochen-Rhythmus umgestellt habe, erläuterte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Aufgetaute Impfstoffe könnten im Praxis-Kühlschrank dann einen Monat oder länger aufbewahrt werden.
Harsche Kritik von Patientenschützern
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgeworfen, in der Corona-Krise das geplante Hochfahren der Auffrischungsimpfungen zu behindern. Hintergrund ist eine Ankündigung des Spahn-Ministeriums, dass die sogenannten Booster-Impfungen verstärkt mit dem Impfstoff von Moderna anstelle von Biontech vorgenommen werden sollen.
„Während die amtierende Bundeskanzlerin, die Regierungschefs der Länder und der Bundestag die große Boosteroffensive ausrufen, torpediert Jens Spahn das Vorhaben“, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. „Denn offensichtlich gibt es nicht genügend frei wählbare Vakzine für die impfwilligen Menschen. Praktisch wird das Angebot ausgebremst.“
dpa, Foto: Gesundheitsminister Spahn © Screenshot Pressekonferenz in Berlin