In der öffentlichen Wahrnehmung wird kontrovers über die polizeilichen und juristischen Abläufe im Zusammenhang mit dem seit Jahren kriminell agierenden Remmo-Clan aus Berlin diskutiert. Die Diskussion reicht von der als naiv bis hin zur als fragwürdig empfundenen Umsetzung deutschen Rechts bis zur Klassifizierung als eine nicht mehr nachvollziehbare Justizposse, abhängig vom jeweiligen Blickwinkel. Im bislang jüngsten Kapitel wurden im Mai dieses Jahres fünf Mitglieder dieses berüchtigten Clans zu Haftstrafen von vier Jahren und vier Monaten bis zu sechs Jahren und drei Monaten verurteilt.
Die überraschend milde Entscheidung des Gerichts resultierte aus der Aufklärung eines Raubes mit einem Schaden in Höhe von vielen Millionen, der wiederum infolge eines fragwürdigen Deals mit der Staatsanwaltschaft gefällt wurde. Nun wurde bekannt, dass eine Rückzahlung fällig ist, die auch noch von den Steuerzahlern finanziert werden muss, da der Freistaat Sachsen mit seinen Beschwerde-Anträgen gegen die hohen Kosten der Pflichtverteidiger gescheitert ist.
Ein Artikel der Bild-Zeitung fasst zunächst die Vorgeschichte zusammen, dass Clan-Mitgliedern im November 2019 „in einem spektakulären Einbruch der Diebstahl von Sachsens wertvollsten Juwelen im Dresdner Schloss gelungen“ war. Es folgten bundesweite Ermittlungen, Razzien und schließlich die Festnahme von sechs Familienmitgliedern der Remmos in Berlin im November 2020. Rund zwei Jahre später erzwangen die Anwälte der Clan-Verwandten laut Bild-Zeitung „einen zweifelhaften Deal mit der Justiz“. Der Freistaat Sachsen musste im Zuge dieser Absprache einen „Strafrabatt“ für die nachweislichen Täter akzeptieren, im Gegenzug zu Teilgeständnissen und der Rückgabe einiger Schmuckstücke. Ein Angeklagter wurde gänzlich freigesprochen.
Nach den Urteilssprüchen folgte der nächste juristische Streit um die Klärung der Kosten für das aufwendige Verfahren, die sich „aus dem Wert der Millionen teuren Juwelen berechnen“. Das Landgericht Dresden hat nun gegenüber der Bild-Zeitung bestätigt, dass „eine Beschwerde des Bezirksrevisors (der Staatskasse) gegen die ‚Festsetzung des Gegenstandswertes‘ (113,8 Millionen Euro) im Strafverfahren vom Oberlandesgericht Dresden zurückgewiesen wurde“. Zudem wurde eine „Rüge des Freistaats gegen ‚die Kostenentscheidung im Adhäsionsverfahren‘ (Schadensersatzforderung) als ‚unzulässig‘ verworfen.“
Zu dem finanziellen Rahmen und den sonstigen Hintergründen des Großverfahrens heißt es:
„Den zwölf Remmo-Anwälten (sechs Angeklagte hatten je zwei Pflichtverteidiger) stehen jeweils 120.081,71 Euro fürs Strafverfahren zu. Zudem sollen sie für das gescheiterte Adhäsionsverfahren (Gericht sah sich nicht in der Lage den exakten Schaden zu beziffern) noch einmal 240.139,62 Euro bekommen.“
Daraus resultierend ergibt sich juristisch jetzt die Situation, dass der klagende Freistaat Sachsen – also letztendlich wieder dessen Steuerzahler – „exakt 3.842.376,72 Euro an die Remmos zahlen muss“. Ein Rechtsexperte erläuterte der Bild-Redaktion die Frage nach dem potenziellen Zahlungsempfänger so:
„Rein formal sind die Remmos Empfänger des Geldes. Sie müssen damit ihre Pflichtverteidiger zahlen. Der Freistaat kann es als Schadensersatz für fehlende Juwelen nicht pfänden, weil es Abtretungen an die Anwälte geben wird.“
Es ist zu erwarten, dass parallel dazu ein weiteres Kuriosum stattfindet: Die im Jahr 2022 verhängten Strafen sind momentan noch nicht rechtskräftig, da der Bundesgerichtshof derzeit „die Revisions-Anträge der Clan-Anwälte prüft“. Dies führt dazu, dass die Rechtsabteilung des Freistaates gezwungen ist, „in einem weiteren aufwendigen Zivilprozess die fünf verurteilten Remmos zu verklagen“, da das Landesamt für Finanzen versuchen würde, „das zu zahlende Geld mit der Schadensersatzforderung aufzurechnen“.
Die im Bild-Artikel weiter erläuterten gelisteten und eingereichten Auslagen, wie zum Beispiel die Hotelkosten, werden übrigens extra aus der Staatskasse an die Clan-Anwälte erstattet. Angesichts der jüngsten Entwicklung befürchtet der Freistaat Sachsen nun, dass erneut „enorme Prozesskosten für die eigenen Anwälte sowie erneut für die Remmo-Pflichtverteidiger“ auf die Steuerzahler zukommen könnten.
Es deutet sich übrigens an, dass es höchst fraglich ist, ob bei den offiziell als „nahezu mittellos geltenden Tatbeteiligten“ generell höhere Geldsummen eingefordert werden können.