Getriebe- und Antriebstechnik Wernigerode GmbH vor dem Aus

Zulieferer am Limit: Wenn das Herz der Autoindustrie ins Stocken gerät
Es beginnt mit einem Brummen, einem leichten Ruck – und dann bleibt der Motor stehen. Genau so fühlt es sich derzeit in Teilen der deutschen Autozulieferbranche an. Zwei weitere Unternehmen sind ins Straucheln geraten, zwei Zahnräder weniger in dem komplexen Getriebewerk, das Deutschlands Industrie am Laufen hält.
GAW Wernigerode und Schlote Harzgerode – zwei Namen, die bislang außerhalb der Fachwelt kaum jemandem bekannt waren, jetzt aber als stille Zeugen einer größer werdenden Krise ins Rampenlicht rücken. Die beiden Unternehmen, beheimatet in Sachsen-Anhalt, gehören zur renommierten Schlote-Gruppe mit Sitz in Hildesheim – ein Traditionsunternehmen mit 1.500 Mitarbeitern weltweit. Oder besser gesagt: mit 1.500 Hoffnungen.
Doch diese Hoffnungen stehen auf wackligen Beinen. Denn wie so oft, wenn es in der Branche kriselt, sind es nicht nur äußere Umstände wie Energiepreise oder globale Lieferengpässe, die drücken – sondern auch große Namen, die plötzlich schwächeln. Einer davon: Volkswagen.
Was ist passiert? Der Mutterkonzern Schlote kämpft mit finanziellen Engpässen – und diese ziehen sich wie ein Riss durch die Tochtergesellschaften. Der Vorwurf: VW habe zugesicherte Aufträge im vergangenen Jahr nicht wie vereinbart abgerufen. Und wenn der größte Kunde wegbleibt, bricht mehr als nur der Umsatz ein. Dann kippt das gesamte Gleichgewicht.
Man stelle sich vor: Man steht auf einem Bein, das andere ruht auf dem Vertrauen in einen starken Partner. Doch dann zieht dieser Partner plötzlich die Stütze weg – und man fällt. Genau das ist geschehen. Zusätzlich platze ein weiterer Großauftrag im Wert von 15 Millionen Euro durch die Insolvenz des Gießereiunternehmens Hasenclever & Sohn. Für Schlote Harzgerode ein wirtschaftlicher Schlag, der nicht mehr abzufangen war.
Die Konsequenz? Insolvenz. 278 Beschäftigte bei GAW und Schlote Harzgerode hoffen nun auf eine Zukunft – oder zumindest auf eine klare Perspektive. Derzeit erhalten sie Insolvenzgeld, ein rettender Strohhalm in stürmischer See.
Doch diese Entwicklung betrifft nicht nur die Belegschaft. Sie steht sinnbildlich für ein tiefer liegendes Problem: Die deutsche Autoindustrie, einst das strahlende Rückgrat der Exportnation, verliert an Kraft. Lieferketten reißen, Transformationen hin zur Elektromobilität verlaufen holprig, und das Vertrauen zwischen Zulieferern und Konzernen scheint zu bröckeln.
Ist das noch eine Einzelkrise – oder bereits der Beginn einer strukturellen Erschütterung?
Vielleicht erinnern Sie sich an die ersten Dominosteine in der Pandemie. Erst fielen sie langsam, vereinzelt. Heute jedoch rauscht eine ganze Reihe – und niemand weiß, wo das Ende ist.
Wir dürfen nicht vergessen: Hinter jeder Schlagzeile stehen Menschen. Fachkräfte, die mit Stolz an Präzisionsbauteilen gearbeitet haben. Familien, die nun um ihre Zukunft bangen. Regionen, die auf die Arbeitgeberrolle solcher Betriebe angewiesen sind. Der Osten Deutschlands kämpft ohnehin mit Abwanderung und Strukturwandel – ein weiteres Werkstor weniger kann da zum Kipppunkt werden.
Und Volkswagen? Der Konzern kämpft selbst mit Absatzproblemen, Umstrukturierungen und globalem Wettbewerb. Doch die Frage drängt sich auf: Wie viel Verantwortung trägt ein Branchenriese für seine Lieferantenkette? Wer Großaufträge verspricht, muss auch die Folgen bedenken, wenn sie plötzlich ausbleiben.
Was wir hier erleben, ist mehr als die Insolvenz zweier mittelständischer Betriebe. Es ist ein Weckruf. Ein Warnsignal aus der Tiefe des industriellen Maschinenraums. Wenn wir nicht aufpassen, droht der Motor ins Stocken zu geraten – und diesmal reicht kein einfaches Anschieben mehr.
Was denken Sie: Braucht die Branche einen Neustart – oder vor allem mehr Verlässlichkeit und Partnerschaft? Schreiben Sie uns Ihre Meinung. Denn auch Ihre Stimme gehört zum großen Ganzen.
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