Zwischen Interessen und Idealen – wohin steuert die CDU?

CDU im außenpolitischen Zwiespalt: Russland, Türkei, USA – Wer bestimmt Deutschlands Kurs?
Zwischen Moskau, Ankara und Washington: Die CDU ringt um ihren außenpolitischen Kurs
Die CDU steht an einem Wendepunkt – und diesmal brodelt es an einer Flanke, die lange als stabil galt: der Außenpolitik. Während Union und SPD noch an den letzten Details einer möglichen Regierungsbildung feilen, entbrennt innerhalb der CDU eine Debatte, die es in sich hat. Im Zentrum: der richtige Umgang mit Russland, der Türkei – und den USA unter Donald Trump.
Nord Stream, Erdoğan, Trump: Bruch mit alten Positionen?
Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die CDU, die lange für außenpolitische Kontinuität stand, nun zur Bühne für hitzige Richtungsdebatten wird? Die Forderung, die Gaspipeline Nord Stream wieder in Betrieb zu nehmen, hat für Aufsehen gesorgt – und kommt nicht etwa von Hinterbänklern, sondern von etablierten CDU-Politikern.
Auch gegenüber dem autoritären Kurs von Recep Tayyip Erdoğan wird ein diplomatischerer Tonfall gefordert. Und selbst Donald Trump, über Jahre hinweg als unberechenbar und gefährlich eingestuft, wird nun mancherorts als möglicher Partner betrachtet. Ist das noch Realpolitik oder bereits ein gefährlicher Pragmatismus?
Das Außenamt als politisches Schlachtfeld
Hinter den Kulissen geht es um mehr als Meinungen – es geht um Macht. Die CDU rechnet sich gute Chancen aus, das Auswärtige Amt zu übernehmen. Doch wer auch immer dieses Schlüsselressort führt, wird Deutschlands Stimme in einer zunehmend fragilen Welt sein. Da wiegt es schwer, wenn innerhalb der Partei keine klare Linie erkennbar ist.
Besonders auffällig: Ex-Kanzlerkandidat Armin Laschet meldet sich lautstark zu Wort. Sein Appell zu mehr „Augenmaß“ im Umgang mit Erdoğan hat für kontroverse Reaktionen gesorgt. Die diplomatische Zurückhaltung? Für ihn ein Gebot politischer Weitsicht. Die scharfe Kritik der Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann? Für ihn wohl ein Ausdruck „moralischer Überheblichkeit“. Doch was steckt wirklich hinter diesem Kurs?
Laschets Türkei-Strategie: Balanceakt oder Anbiederung?
Laschet, einst NRW-Ministerpräsident und Integrationsminister, kennt die Bedeutung eines stabilen Verhältnisses zur Türkei – nicht nur geopolitisch, sondern auch innenpolitisch. Die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters İmamoğlu verurteilt er – aber leise, mit diplomatischen Floskeln. Harte Worte? Fehlanzeige.
Die Sorge: Erdoğan könnte im Gegenzug das Flüchtlingsabkommen kippen – mit weitreichenden Folgen für Europa. Auch Serap Güler, CDU-Abgeordnete mit türkischen Wurzeln, mahnt zu Besonnenheit. „Kritik ja – aber nicht so, dass Erdoğan sie für seine Zwecke nutzt.“
Russland: Kalter Krieg in der CDU?
Weitaus unversöhnlicher ist der Ton beim Thema Russland. CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter warnt vor einer gefährlichen Annäherung an den Kreml – und kritisiert offen die Russlandpolitik der eigenen Partei. Seine Forderung: Nord Stream darf nicht reaktiviert, russlandfreundliche Narrative müssen klar abgewehrt werden.
„Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen“, sagt Kiesewetter – eine klare Spitze gegen Kretschmer, Bareiß und andere CDU-Politiker, die sich offen für einen Neustart der Energiebeziehungen mit Moskau aussprechen. Besonders brisant: Diese Stimmen sitzen mit am Koalitionstisch.
Trump als Partner? Ein Drahtseilakt mit Washington
Und dann wäre da noch Donald Trump. Kaum jemand polarisiert mehr. Laschet plädiert für einen sachlichen Umgang mit dem Ex-Präsidenten – und möglicherweise bald wieder Präsidenten. „Wir müssen ihn an Europa binden“, sagt er. Was klingt wie ein diplomatischer Balanceakt, empfinden viele als zu große Nachgiebigkeit.
Doch auch außenpolitische Schwergewichte in der CDU wie Johann Wadephul oder Norbert Röttgen machen klar: Ein Kurswechsel Richtung Trumpismus wird nicht ohne Widerstand verlaufen. Die Frage bleibt: Wer gibt am Ende die Richtung vor?
Eine Partei, viele Stimmen – aber bald eine Linie?
Für Friedrich Merz wird es eine der ersten großen Bewährungsproben als Kanzler: Die außenpolitischen Zersplitterungen innerhalb seiner Partei zu ordnen. Denn gerade in Krisenzeiten braucht Deutschland eine klare Linie – kein diplomatisches Wunschkonzert.
Wer das Auswärtige Amt bekommt, wird nicht nur ein Ressortchef. Er oder sie wird das Gesicht Deutschlands in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Zwischen Krieg in der Ukraine, geopolitischen Machtverschiebungen und bröckelnden Allianzen steht viel auf dem Spiel.
Zwischen Interessen und Idealen – wohin steuert die CDU?
Die CDU steht an einem außenpolitischen Scheideweg. Die Debatten um Nord Stream, die Türkei-Strategie und den Umgang mit Donald Trump zeigen, wie schwer sich die Partei mit einem klaren außenpolitischen Profil tut. Es geht nicht nur um Energie oder Diplomatie – es geht um Werte, Sicherheit und Deutschlands Platz in der Welt.
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Soll Deutschland diplomatischer mit Erdoğan und Trump umgehen? Ist ein Neustart mit Russland realistisch – oder brandgefährlich? Schreib uns deine Meinung in die Kommentare oder teile den Artikel in deinem Netzwerk.
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